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Das falsche Spiel von OkCupid um Medien-Aufmerksamkeit

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Am 24. März hatte Mozilla JavaScript-Erfinder und Mozilla-Gründer Brendan Eich zum neuen CEO der Corporation ernannt. Aufgrund des öffentlichen Drucks war Eich bereits wenige Tage später wieder zurückgetreten. Einen nicht unwesentlichen Anteil an den Ereignissen hatte OkCupid – welche Eichs Spende von vor vielen Jahren benutzt haben, um selbst Aufmerksamkeit in den Medien zu erhalten.

Im Jahr 2008 hatte Brendan 1.000 Dollar zur Unterstützung von Proposition 8 (Prop 8) gespendet, einem Antrag auf Änderung der kalifornischen Verfassung um Ehen unter Gleichgeschlechtlichen zu verbieten. Damit hat Eich eine Einstellung vertreten, wie sie 52 Prozent seiner wahlberechtigten kalifornischen Mitbürger zu diesem Zeitpunkt (bei knapp 80 Prozent Wahlbeteiligung) vertreten haben. Diese Spende von vor sechs Jahren hat schließlich zu einer so heftigen öffentlichen Debatte geführt, dass sich Eich wenige Tage später gezwungen sah zurückzutreten, um weiteren Schaden von Mozilla abzuwenden.

Den Medien war es durch ihre sehr einseitige Berichterstattung gelungen so viele Missverständnisse zu schaffen und damit immer weiteres Öl ins Feuer zu gießen, dass ein riesiger Druck auf Brendan Eich und damit auch auf Mozilla aufgebaut worden war. So war vom Rücktritt dreier Verwaltungsratsmitglieder die Rede, wobei der Eindruck vermittelt worden war, als hätte dies in Zusammenhang mit Eichs damaliger Spende gestanden. Dabei standen der Abschied von Gary Kovacs und Ellen Siminoff bereits längst mit dem Zeitpunkt der Findung eines neuen CEO fest, John Lilly hatte den Verwaltungsrat zwar aufgrund von Zweifeln an Eichs Führungsqualitäten verlassen, nicht aber aufgrund besagter Spende und bereits bevor dies ein erneutes Thema in den Medien war – erneut, weil das Thema eigentlich schon im Jahr 2011 Thema in den Medien war. Auch hatten sich die Medien auf Tweets von Mozilla-Mitarbeitern gestürzt, welche um den Rücktritt Eichs gebeten hatten – weniger als zehn Mitarbeiter von insgesamt knapp 1.000 Mitarbeitern, welche Eich zudem nicht einmal persönlich kannten und für die Mozilla Foundation arbeiten, während Eich CEO der Mozilla Corporation sein sollte.

Viel Öl ins Feuer gegossen und damit Anteil an der ganzen Sache hatte dabei OkCupid. Mit den Worten Mozilla’s new CEO, Brendan Eich, is an opponent of equal rights for gay couples. We would therefore prefer that our users not use Mozilla software to access OkCupid hatte man Firefox-Nutzer nur aufgrund der Tatsache ausgeschlossen, dass Eich vor sechs Jahren diese Spende getätigt hatte und zum neuen CEO von Mozilla ernannt worden war. Eine Maßnahme, welche OkCupid sehr viel Medien-Aufmerksamkeit gebracht hat. Grundsätzlich stehen natürlich jeder Webseite aus beliebigen Gründen beliebige Maßnahmen zu, nur lohnt es sich in diesem Fall einen genaueren Blick darauf zu werfen.

Nochmal zusammengefasst: OkCupid boykottiert Firefox-Nutzer und schadet dem Ruf von Mozilla, weil der neu ernannte Mozilla-Chef die homosexuelle Ehe ablehnt. OkCupid, gegründet von Sam Yagan. Eben jenem Sam Yagan, der 2004 mit 500 Dollar einen ebenfalls nicht ganz kleinen Betrag zur Unterstützung von Chris Cannon gespendet hatte. Chris Cannon, welcher von der Human Rights Campaign eine 0%-Bewertung bezüglich der Unterstützung für Rechte der Homosexuellen erhalten hatte. Chris Cannon, welcher mit Nein zum Schutz vor Job-Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung abgestimmt hatte. Chris Cannon, welcher für den Verbot der Adoption für Homosexuelle abgestimmt hatte. Chris Cannon, welcher ganz genauso ausschließlich die Ehe zwischen Mann und Frau unterstützt.  Chris Cannon, der – auch wenn es jetzt ein anderes Thema ist – für alle denkbaren Einschränkungen bezüglich Abtreibung gestimmt hat.

Fassen wir also zusammen: Unterstützt der Gründer von OkCupid so jemanden finanziell, dann ist das also in Ordnung und kein Grund OkCupid zu boykottieren. Unterstützt hingegen der Gründer von Mozilla Proposition 8, wo es „nur“ um die homosexuelle Ehe geht, dann ist das nach Ansicht von OkCpuid ein Grund um Mozilla zu boykottieren. An dieser Stelle braucht man nur noch 1 und 1 zusammenzuzählen um zu erkennen, was wirklich hinter dem Boykott von OkCupid steckte: eine intrigante Kampagne um Aufmerksamkeit in den Medien zu erhalten. OkCupid hatte in den letzten Tagen mit Sicherheit einen sehr starken Anstieg der Besucherzahlen. Davon ist auszugehen.

Dieser Artikel wurde von Sören Hentzschel verfasst.

Sören Hentzschel ist Webentwickler aus Salzburg. Auf soeren-hentzschel.at informiert er umfassend über Neuigkeiten zu Mozilla. Außerdem ist er Betreiber von camp-firefox.de, der ersten Anlaufstelle im deutschsprachigen Raum für Firefox-Probleme aller Art. Weitere Projekte sind firefox.agenedia.com, mozilla.de, firefoxosdevices.org sowie sozone.de.

5 Kommentare - bis jetzt!

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  1. Andreas G.
    schrieb am :

    Tja wenn die Berichterstattung das ganze hübsch aufgreift dann dürfte OkCupid das nächste Ziel sein. Ich wünsche hier viel Vergnügen.

    Warum unterstützt eigentlich noch irgendjemand diese Vollhonk Politiker ?

    Die sollen lieber die Spenden an Wohltätige Organisationen geben. Ich wette das örtliche Tierheim freut sich wesentlich mehr über das Geld als so ein Redenschwinger.

     

  2. Fraggle
    schrieb am :

    Persönlich finde ich es schlimmer eine Person zu unterstützen, die ein direktes Stimmrecht hat und deren Abstimmungsgesinnung bekannt ist verglichen mit einer Petition. Denn erstens steht bzw. stand hinter Prop 8 die Mehrheit Kalifoniens und zweitens, wollten die nur ein Gesetz. Dazu hätte aber noch abegstimmt werden müssen, Politiker hätten also locker das Ganz absägen können. Hingegen ist die Unterstützung einer direkten Stimme wie bei Cannon ein Schritt weiter bei der direkten Umsetzung. Das zumindest ist meine Meinung.

    Und danke Sören, der Artikel ist sehr interessant. Mir wa das nicht bekannt. Wobei es mich nicht wundert, denn derartig schizophren gehen die Medien und Co schon lange vor. Vgl. AKW-Ausstieg (erst nach Fukuchima dafür, dann nach einer Weile gegenargumente bringen, aber ja nicht beides zusammen zeitgleich um den Leser wirklich abwägen lassen zu können, das wäre fatal, schließlich kann man es ansonsten ja auch doppelt ausschlachten. Oder beim Thema FDP. Pro und Contras werden schon lange nicht mehr in den Medien gezeigt, sondern nur polarisierende Aspekte. Gegenaspekte folgen gar nicht, oder erst später. Naja, die Politiker leben das ja auch gut vor.

  3. Anon
    schrieb am :

    Problematischer ist doch, dass hier die öffentliche Meinung einem Menschen sein Recht auf Teilhabe am demokratischen / politischen System nachträglich abgesprochen hat. Solange Mozilla kein Dating-Portal für Homosexuelle betreibt oder der OkCupid-Gründer im Standesamt arbeitet, hat uns das nicht allzu sehr zu interessieren.

    Für alle Gutmenschen auch noch: Fefe

  4. Florian Steller
    schrieb am :

    Hat sich Eich überhaupt von den Vorwürfen distanziert und eindeutig klargestellt, dass er mittlerweile die Spende bereut und seine Einstellung geändert hat? Wenn nicht ist die Ansicht, ihn nach seinem heutigen tun und sein zu bewerten nämlich viel zu kurz gedacht. Ein CEO einer Firma, die für Offenheit und Gleichberechtigung steht, kann solche diskriminierenden Meinungen einfach nicht fördern. Da könnte er was weiß ich erfunden haben. Auch wenn er fachlich gut ist und bereits länger für Mozilla gearbeitet hat, so jemand gehört nicht an die Spitze eine solche Firma.

  5. Sören Hentzschel Verfasser des Artikels
    schrieb am :

    @Florian Steller:

    Hat sich Eich überhaupt von den Vorwürfen distanziert und eindeutig klargestellt, dass er mittlerweile die Spende bereut und seine Einstellung geändert hat? Wenn nicht ist die Ansicht, ihn nach seinem heutigen tun und sein zu bewerten nämlich viel zu kurz gedacht. Ein CEO einer Firma, die für Offenheit und Gleichberechtigung steht, kann solche diskriminierenden Meinungen einfach nicht fördern. Da könnte er was weiß ich erfunden haben. Auch wenn er fachlich gut ist und bereits länger für Mozilla gearbeitet hat, so jemand gehört nicht an die Spitze eine solche Firma.

    Eich hat sich mehrfach dafür entschuldigt, andere Menschen mit seiner Spende verletzt zu haben. Sich konkret von der Spende distanziert hat er nicht – wahrscheinlich weil er nach wie vor diese Ansicht vertritt, dass Homosexuelle nicht heiraten sollten, oder auch einfach, weil er der Meinung ist, dass jeder das Recht auf seine Meinung haben sollte und dass das eben 2008 seine Meinung war, welche die Mehrheit (!) seiner Mitmenschen in Kalifornien geteilt hat, er also nichts falsch gemacht hat. Man weiß nicht wirklich, wie er heute denkt. Hätte er in der Rolle des CEO bleiben wollen, dann hätte er sich dem Thema in jedem Fall stellen müssen. Aber Eich ist kein Mensch, der sein Privatleben öffentlich diskutiert, weswegen er wahrscheinlich auch gar keine andere Wahl hatte, als den Posten wieder zu räumen. Den Punkt respektiere ich übrigens, auch wenn ich seine Einstellung kein bisschen teile. Ich würde ganz genauso keine öffentliche Debatte über meine persönlichen Ansichten führen. Hätte Eich mehr Feingefühl zeigen und besser kommunizeren können? Sehr wahrscheinlich. Hinterher ist man immer schlauer. Aber Eich wird ja auch nachgesagt, dass das eine Schwäche von ihm ist, er sei ein distanzierter und analytischer Typ, sagt man über ihn.

    Aber ich sage ganz ehrlich, dass mir persönlich lieber ist, wenn er sich nicht davon distanziert, wenn es das ist, was er wirklich fühlt. Schlimmer fände ich nämlich, wenn er sich davon distanziert, obwohl es nicht das ist, was er denkt, denn einen Lügner will ich wirklich nicht in der Führungsetage haben. Wenn ich die Wahl zwischen jemandem habe, dessen persönliche Ansichten ich nicht teilen kann, der aber ehrlich damit umgeht und das zu keinem Nachteil in der Firma macht (und es gab nie Nachteile oder Probleme mit Homosexuellen bei Mozilla, Eichs private Einstellung war immer privat!) und jemandem, der nur etwas vorgibt zu sein, was er nicht ist, dann fällt es mir nicht schwer, mich für den ersten zu entscheiden.

    Ob so jemand für die Rolle des CEO geeignet ist, das ist sicherlich ein Thema, über das man verschiedener Meinung sein kann. Ich hätte Eich sehr gerne als CEO von Mozilla gesehen. Ich verstehe aber, wenn jemand argumentiert, dass das für den CEO-Posten ein Problem ist. Auch wenn ich nicht verstehe, wieso das plötzlich ein Problem ist, wo Eich längst eine der höchsten Positionen bei Mozilla hatte und längst ein Aushängeschild von Mozilla war, sprich bereits vor dem CEO-Posten Mozilla repräsentiert hat.

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